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Definition

 

Unter einer Hyperhidrosis bzw. Hyperhidrose versteht man eine übermässige Schweissproduktion, welche am ganzen Körper (generalisiert) oder lokal (v.a. Hände, Achselhöhlen, Gesicht, Füsse etc.) auftritt. Vergesellschaftet ist in manchen Fällen zusätzlich eine sehr intensive Gesichtsrötung (Erythrophobie).

 

Häufigkeit

 

Knapp 3% der Schweizer Bevölkerung leidet mehr oder minder stark unter einer Hyperhidrose. Es handelt sich um eine chronische Erkrankung, die i.d.R. konstitutionell bedingt ist (wenn organische Krankheiten usw. ausgeschlossen werden können).

 

Schwitzen gehört zum Leben

 

Schwitzen als solches ist keine Krankheit. Es dient der Regulation unserer Körpertemperatur, kühlt die Haut und auch das Innere des Körpers. Schwitzen ist somit für uns alle lebenswichtig.

 

Krankhaftes Schwitzen

 

Krankheitswert erhält das Schwitzen dann, wenn unkontrolliert zu viel Schweiss produziert wird. Eine vermehrte lokalisierte Schweissbildung kommt am häufigsten im Bereiche der Hände, der Achselhöhlen, des Gesichtes sowie der Füsse vor. Selten können auch andere Körperpartien von übermässigem Schwitzen betroffen sein.

 

Eine Hyperhidrose ist nicht nur körperlich sehr unangenehm sondern kann uns auch in unserer psychischen Verfassung stark einschränken und belasten, selten kommt es sogar zu invalidisierenden Beschwerden. Wenn man ständig damit rechnen muss, bei der Arbeit, im Geschäft, anlässlich eines Vortrages, bei Diskussionen etc.) sichtbar massiv zu schwitzen, Schweissflecken auf dem Hemd sichtbar werden, beim Schreiben, bei Kontakt mit Papier Schweissabdrücke auftreten, ist das eine für die betroffenen Menschen auch psychisch kaum auszuhaltende Situation. Man traut sich kaum, jemandem die Hand zu geben. Autofahren ist für Hyperhidrosepatienten oft nur mit Handschuhen möglich, weil das Steuerrad kaum gehalten werden kann und dieses ständig feucht ist. Der dadurch entstehende Stress vermehrt die Schweissbildung zusätzlich, was zu einem Teufelskreis führt, der dann kaum noch zu durchbrechen ist und einer Behandlung bedarf.

 

Insbesondere das übermässige Schwitzen der Handinnenfläche und die damit verbundenen ständig kalten Hände (einerseits bedingt durch die Verdunstung das Schweisses und andererseits durch die Verengung der kleinen Hautgefässe, der sog. Vasokonstriktion) ist für die betroffenen Menschen äusserst unangenehm. Die Hände verfärben sich oft rosa, u.a. aufgrund des Natriums und anderer Mineralien, die sich im Schweiss befinden. In extremen Situationen können die Hände sprichwörtlich tropfen wie ein undichter Wasserhahn.

 

Ursachen von übermässigem Schwitzen

 

Man unterscheidet die sogenannte primäre von der sekundären Hyperhidrose. Die Ursache der primären Hyperhidrose ist nicht bekannt. Man weiss bisher lediglich, dass eine fehlerhafte Steuerung (Dysfunktion) des vegetativen Nervensystems vorliegt. Ursache der sekundären Hyperhidrose können hormonelle Veränderungen sein, diverse weitere Erkrankungen wie z.B. eine Schilddrüsen-Überfunktion, neurologische Krankheiten, hormonelle Störungen, Medikamentennebenwirkungen, Kreislaufstörungen und Übergewicht. Sehr häufig sind psychovegetative Probleme mit der Hyperhidrose vergesellschaftet, wobei oftmals nicht klar ist, ob die Hyperhidrose zu den psychovegetativen Beschwerden führt oder umgekehrt. Von der Hyperhidrose sind häufig junge, meistens schlanke Frauen betroffen. Aber auch ältere Frauen und Männer (auch hier vorwiegend junge) können von der Krankheit betroffen sein.

 

Diagnose

 

Wichtig ist es, die Diagnose einer Hyperhidrose überhaupt zu stellen. Diese wird meistens vom Hausarzt oder von einem Dermatologen gestellt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Hyperhidrose zu qualifizieren und zu quantifizieren. Auf die diversen Tests und Abklärungen möchte ich hier aber nicht weiter eingehen.

 

Therapiemöglichkeiten (übermässiger Fussschweiss)

 

Die konservative Behandlung ist praktisch identisch wie bei der Hyperhidrose der Hände. Chirurgisch besteht die Möglichkeit einer sog. minimal invasiven lumbalen Sympathektomie bzw. eines Sympathicus-Clamping (Grenzstrangdurchtrennung bzw. Clippen im Lendenbereich). Wir führen diesen Eingriff allerdings nur in seltensten Fällen durch, weil es dabei selten zu Störungen der Sexualfunktion kommen kann. Seit einiger Zeit kann eine Verödung des lumbalen Grenzstranges durch spezialisierte Radiologen ganz selektiv unter computertomographischer Kontrolle durchgeführt werden. Diese Methode ist aber noch nicht etabliert und wird deshalb auch nicht routinemässig durchgeführt.

 

Aus jahrelanger Erfahrung wissen wir aber, dass sich vermehrter Fussschweiss nach einer Therapie der Hyperhidrose der Hände oftmals ohne weitere Behandlung stark verbessert. Weshalb dies so ist, wissen wir nicht. Wir gehen davon aus, dass sich der Stresspegel nach einer erfolgreichen Behandlung der Hyperhidrose im Bereich der Hände stark verringert und sich deshalb auch ein übermässiger Fussschweiss verringert.

 

Therapiemöglichkeiten (Hände, Achselhöhlen, Gesicht und Gesichtsrötung)

 

a.    konservativ

Zur Behandlung des übermässigen Schwitzens existieren heutzutage verschiedenste Möglichkeiten. In der Regel beginnt man mit Lotionen, Salben und Antitranspirantien (Aluminiumchlorid), welche lokal auf die schwitzenden Hautstellen aufgetragen werden. Diese Behandlungen reichen in vielen Fällen aus, um die Schweissproduktion derart zu reduzieren, dass keine weiteren Therapien notwendig sind.

 

Sollte diese einfache Behandlung nicht ausreichen, kann man als nächsten Schritt, vor allem bei schwitzenden Händen und Füssen, eine Iontophorese-Behandlung mit Leitungswasser versuchen. Diese Behandlung mit Gleichstrom ist bestens bewährt, kann zu Hause durchgeführt werden und ist in vielen Fällen eine sehr gute Therapieoption. Offenbar werden dadurch die Schweissdrüsen der Haut bezüglich des Schwitzens positiv beeinflusst. Diese Therapie muss langfristig durchgeführt werden, was doch ordentlich viele Patienten als negativ empfinden. Die genaue Wirkungsweise dieser Therapie ist bis heute allerdings noch nicht geklärt.

 

b.    Interventionell


Immer häufiger werden sogenannte chemische Denervationen durchgeführt, vor allem mit Botulinumtoxin. Dieses Nervengift wird in massiver Verdünnung in die Haut gespritzt (vor allem im Bereiche der Achselhöhlen, gelegentlich auch im Bereiche stark schwitzender Handinnenflächen und Fusssohlen). Die Schweissproduktion nimmt durch diese Behandlung stark ab. Anzumerken ist, dass diese Spritzen in die Handinnenflächen und in die Fusssohlen ziemlich schmerzhaft sind und von den meisten Patienten kaum toleriert werden. Für das übermässige Schwitzen im Bereiche der Achselhöhlen ist diese Behandlung aber gut geeignet. Leider muss die Behandlung in der Regel alle 6 bis 12 Monate wiederholt werden, da die Wirkung des Nervengiftes mit der Zeit nachlässt.

 

Eine neuere Behandlung, vor allem bei übermässigem Achselschweiss, besteht in einer Mikrowellen-Therapie. Dabei werden die Schweissdrüsen unter der Haut relativ schmerzarm verödet. Diese Behandlung eignet sich aber nicht für Fusssohlen und Handinnenflächen.

 

 

       c.    chirurgisch (minimal invasiv)


Falls alle diese konservativen Therapieversuche zu keiner befriedigenden Verbesserung der Hyperhidrose führen, kommen chirurgische minimal invasive Verfahren in Betracht.

 

Die Behandlung der reinen axillären Hyperhidrosis kann b.B. auch chirurgisch angegangen werden. Dabei können die Schweissdrüsen minimal invasiv mittels einer Kanüle abgesaugt werden. Dieser Eingriff erfolgt i.d.R. in einer Lokalanästhesie, selten ist eine Narkose notwendig. Da häufig in einer Sitzung nicht alle Schweissdrüsen entfernt werden können, ist manchmal eine zweite oder sogar dritte Behandlung notwendig.

 

Eine chirurgische Entfernung der gesamten Haut inkl. der Schweissdrüse im Bereiche der Achselhöhle ist ebenfalls eine Option, wobei hier eine riesige Wundfläche entsteht, die dann i.d.R. mittels freien Hauttransplantaten gedeckt werden muss. In Anbetracht der doch nicht zu unterschätzenden Komplikationsmöglichkeiten, muss die Indikation dafür wohl überlegt sein.

 

Viele Menschen leiden unter einem kombinierten übermässigen Schwitzen mit Beteiligung der Handinnenflächen und der Achselhöhlen. Nicht selten besteht auch vermehrter Gesichtsschweiss und eine ausgeprägte Gesichtsrötung (Erythrophobie). Bei Versagen der konservativen Therapien kommt in solchen Fällen heutzutage ein wenig belastendes schmerzarmes minimal invasives chirurgisches Verfahren zur Anwendung. Es handelt sich um die sog. endoskopische thorakale Sympathektomie (irreversibel) oder um das von uns favorisierte endoskopische thorakale „Sympathikus-Clamping“ (prinzipiell reversibel).

Erklärung

Das sog. vegetative Nervensystem reguliert unsere Organfunktionen (z.B. Blutdruck, Verdauung, Körpertemperatur u.a.). Wir können dieses Nervensystem, welches auch als autonomes Nervensystem bezeichnet wird, nicht bewusst steuern. Es ist in zwei verschiedene Formenkreise unterteilt, das sympathische und das parasympathische Nervensystem.

 

Wenn sich unser Körper in physischer und psychischer Ruhe befindet, verlangsamen sich gewisse Körperfunktionen wie z.B. die Atemfrequenz und der Herzschlag, andere Funktionen, wie z.B. die Verdauungsfunktionen werden aktiviert. In diesen Situationen ist v.a. das parasympathische Nervensystem tätig.

 

Das sympathische Nervensystem arbeitet vor allem tagsüber und hält unseren Kreislauf in Schwung. Bei vermehrter Konzentration, sportlicher Betätigung, in Stresssituationen etc. ist das sympathische Nervensystem höchst aktiv. Unser Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt und es wird vermehrt Adrenalin in die Blutbahn ausgeschüttet, was u.a. auch zu einer vermehrten Schweissbildung führt. Nervenendigungen, welche die Funktion unserer Schweissdrüsen steuern, gehören ebenfalls zum sympathischen Nervensystem.

 

Aus diesen Erkenntnissen heraus begann man ca. Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Durchführung von Sympathektomien, also mit der Durchtrennung und Entfernung gewisser Teile des sog. sympathischen Grenzstranges auf verschiedenen Ebenen (je nach Lokalisation der vermehrter Schweissproduktion). Ein solcher Eingriff war vor der Ära der minimal invasiven (thorakoskopischen) Chirurgie ein grosser Eingriff, da die Brusthöhle weit eröffnet werden musste. Da sowohl auf der linken als auch auf der  rechten Körperhälfte ein Sympathikus-Grenzstrang verläuft, wurde dieser Eingriff in aller Regel in zwei Sitzungen durchgeführt. Man musste sich also zweimal einer Operation unterziehen. Heute führen wir diesen Eingriff in aller Regel in einer einzigen Sitzung beidseits durch. Ermöglicht wurde dies durch die minimal invasiven Operationsverfahren. In Narkose gehen wir durch zwei lediglich 5 mm grosse Schnitte wenig unterhalb der Achselhöhle in die Brusthöhle ein, wobei auf der zu operierenden Seite die Belüftung der Lunge in Narkose ausgeschaltet wird. Dadurch entsteht viel Platz und eine gute Übersicht auf die hintere Brustwand. In aller Regel erkennt man hier den längsverlaufenden Grenzstrang (Sympathikus) sehr gut durch das Brustfell hindurch schimmern. Mit einem 5 mm grossen Elektrohäkchen erfolgt die Präparation des Sympathikus-Nerven auf der Höhe, die vor der Operation auf Grund der entsprechend vermehrten Schweisslokalisation bestimmt wurde. Im Anschluss daran wird der Nerv entweder durchtrennt und ein kleines Stück entfernt (irreversibel) oder mit speziellen kleinen Klipps versorgt bzw. abgeklemmt. Letzteres Vorgehen ist prinzipiell reversibel, da die Klipps bei Bedarf wieder entfernt werden können. Ob sich allerdings eine langfristige Nervenkompression durch die Klipps später wieder erholt, ist nicht vorauszusagen. Allfällig vorhandene kleine Seitenäste des Hauptnerven werden anlässlich der Operation ebenfalls entweder  geklippt oder durchtrennt. Noch während des Eingriffes kann man beim noch schlafenden Patienten bereits erkennen, ob die Operation erfolgreich war. Zuvor kalte, rosafarbene und schwitzende Hände sind nach der Intervention sofort warm und vollständig trocken. Ebenso verhält es sich mit den Achselhöhlen und dem Gesicht. Auch eine allfällig zuvor vorhandene Gesichtsrötung verschwindet oder verbessert sich massiv. Am Ende des Eingriffes verschliessen wir die Haut ohne Einlage einer Drainage. Der gesamte Eingriff dauert ca. 30 Minuten und ist kaum schmerzhaft, weshalb die Patienten das Spital i.d.R. am Tage nach der Operation bereits wieder verlassen können.

 

Nebenwirkungen / Komplikationen

Eine seltene Nebenwirkung (keine Komplikation!) ist das sog. kompensatorische Schwitzen an anderen Körperstellen (Häufigkeit ca. 1-3%). Es kommt dabei zu einer vermehrten Schweissbildung z.B. im Bauchbereich, am Rücken oder an den Beinen. Diese Problematik empfinden die allermeisten Patienten aber als bedeutend weniger belastend als das übermässige Schwitzen der Hände und der Achselhöhlen und nehmen diese seltene Nebenwirkung deshalb in Kauf.

 

Eine gefürchtete Komplikation anlässlich eines solchen Eingriffes ist das sog. Horner-Syndrom (Lähmung von gewissen Augenmuskeln). Diese ist auf eine zu hohe Durchtrennung des Nervenstranges zurück zu führen, was eigentlich nicht passieren sollte. Glücklicherweise hatten wir diese Komplikation in den vielen Jahren, in denen wir diesen Eingriff schon durchführen, noch bei keinem einzigen unserer Patientinnen und Patienten.

 

Fazit

In den Händen eines endoskopisch tätigen erfahrenen Chirurgen ist die minimal invasive thorakale Sympathektomie bzw. das Sympathikus-Clamping eine sehr sichere und höchst erfolgversprechende Operation für Patienten, die an einer konservativ nicht therapierbaren Hyperhidrose leiden. Der Eingriff ist kaum belastend, nach der Operation sind praktisch keine Narben sichtbar und die Arbeit kann rasch wieder aufgenommen werden. Bei Versagen der üblichen konservativen Therapiemassnahmen ist dieses Vorgehen unserer Ansicht nach die beste und sicherste Möglichkeit, übermässigen Hand-, Achsel- und/oder Gesichtsschweiss langfristig zum Verschwinden zu bringen. Der Gewinn an Lebensqualität ist enorm.